Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus
Das Verbundprojekt widmet sich der Identifizierung und wissenschaftlichen Analyse religiös-christlicher Elemente des Antisemitismus in seinen historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen und leistet mittels eines breit angelegten Transferkonzepts einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung der Forschungsergebnisse in Wissenschaft, Schule und Erwachsenenbildung.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Philipp Schlögl
Das Teilprojekt 1 „Transformationen christlicher Judenfeindschaft“ erforscht die Rezeption und Vulgarisierung christlicher Motive in theologischen und kirchlichen Diskursen des 19. Jahrhunderts. In theoretischer und empirischer Grundlagenforschung werden Transformationen theologischer antijüdischer Elemente der christlichen Tradition und deren Radikalisierung ebenso untersucht wie die Rückwirkung antisemitischer Stereotypen auf Theologie und Kirchen. So werden christliche Tiefenstrukturen herausgearbeitet, die implizite Kontinuitäten und Entwicklungen in der Geschichte des Antisemitismus erkennen lassen. Die Arbeit geht exemplarisch von Paul de Lagardes Antisemitismus in Werk und Rezeption aus.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. Sara Han
Das Teilprojekt 2 „Christliche Elemente moderner Judenfeindschaft: Kontinuitäten in beiden deutschen Staaten sowie im vereinten Deutschland“ ist zeithistorisch angelegt und hat zum Ziel, die Rezeptionen und Reaktionen auf den Kampf gegen Antisemitismus innerhalb der kirchlichen Bildungsarbeit beider Kirchen nach der Shoa zu untersuchen. Die Konfrontation mit dem kirchlichen Versagen während des Nationalsozialismus und ihre historische und theologische Aufarbeitung führte zu einem Umdenken und einer neuen Wahrnehmung von Jüdinnen, Juden und Judentum. Gleichwohl beförderte die kategoriale und typologische Trennung zwischen christlich-theologischem Antijudaismus und rassistischem Antisemitismus die Vorstellung, Antisemitismus sei der Kirche fremd und wurde als säkulares Problem auch von Antisemitismusforschung mehrheitlich religions-unsensibel erörtert. Das Teilprojekt 2 nimmt den hybriden Antisemitismus in den Blick und untersucht den christlichen Antisemitismus in den Kirchen nach der Shoa, der trotz der zahlreichen jüdisch-christlichen Dialoginitiativen in verdeckter und unverdeckter Form in beiden Kirchen und theologischen Wissenschaften resistent blieb. Damit soll ein Beitrag für die Präventionen des zeitgenössischen Antisemitismus, der modifiziert und sich teilweise identischen Motiven des christlichen Antisemitismus bedient, geleistet werden. Die christlichen Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus sollen identifiziert und so das Geflecht von christlich geprägten Tiefenstrukturen, von Transformationsprozessen zwischen Christlichem und Profanem, Rekombinationen und Aktualisierung bis hin zum interreligiösen Transfer in den Blick genommen werden.
Das Teilprojekt 2 legt den Schwerpunkt auf die Entwicklungen, Prozesse und Interaktionen der kirchlichen Bildungsarbeit in der DDR und insbesondere auf ihre jüdisch-christlichen Gesprächsinitiativen. Untersucht werden die Rezeptionen und Reaktionen zum Kampf gegen Antisemitismus, die Interaktionen mit den Kirchen und Einflussmöglichkeiten in den gesellschaftlichen Raum. Mittels biographischer Zugänge werden die Verkopplung theologischer und politischer Motivlage der Gesprächsakteur:innen aufgearbeitet und analysiert. Die Geschlechterfrage wird dabei ein Element der Untersuchung sein, um so die am Kampf gegen Antisemitismus beteiligten Frauen der kirchlichen Bildungsarbeit stärker in den Blick zu nehmen.
Projektbegleitend werden Dialoge zwischen Zeitzeug:innen und Personen, die gegenwärtig in der kirchlichen Bildungsarbeit tätig sind, geführt und medial aufbereitet, um die Bedeutung früherer Strategien im Kampf gegen den Antisemitismus aufzuzeigen und modifiziert derzeitig nutzbar zu machen.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Christine Chiriac
Das Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) in Braunschweig bringt seine über Jahrzehnte akkumulierte Expertise in der Untersuchung von Bildungsmedien und seine Erfahrungen in der bildungs- und schulbuchbezogenen Vorurteilsforschung in den Verbund ein. Durch die Arbeit der vom GEI koordinierten Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission und weiteren Projekten zur Untersuchung der Darstellung jüdischer Geschichte und Kultur im Schulbuch ist das GEI auch in Bezug auf den Gegenstand der denkbar kompetenteste Partner. Im vom GEI verantworteten Teilprojekt werden religiös begründete Vorurteile gegenüber Jüdinnen, Juden und dem Judentum im katholischen und evangelischen Religionsunterricht sowie im Ethikunterricht und in den dazugehörigen Schulbüchern untersucht. Neben einer Monographie sollen auch entsprechende Unterrichts- und Schulbuchempfehlungen vorgelegt werden.
Der Bedeutung der gesellschaftlichen Vermittlung der Forschungsergebnisse Rechnung tragend sind Tagungen, Fortbildungsangebote und Workshops als ein eigenes Teilprojekt konzipiert, für das mit dem Bundesverband Evangelische Akademien in Deutschland e. V. ein starker und kompetenter Partner eintritt. Die Evangelischen Akademien in Deutschland e. V. sind bundesweit mit 17 Mitgliedseinrichtungen präsent und engagieren sich seit Jahrzehnten für demokratische Kultur und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Sie haben jüngst mit der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung das Projekt Antisemitismus und Protestantismus – Verstrickungen, Beiträge, Lernprozesse durchgeführt und damit neue Konzepte für die Antisemitismusprävention im evangelischen Bildungsbereich vorgelegt. Der Bundesverband ist u. a. eine staatlich anerkannte Zentralstelle und Trägerin der politischen Jugend- wie Erwachsenenbildung.
Presse
- Rainer Kampling, Prof. Dr. (Freie Universität Berlin/Seminar für Katholische Theologie)
- Philipp Schlögl (Freie Universität Berlin/Seminar für Katholische Theologie)
- Sara Han, Dr. (Freie Universität Berlin/Seminar für Katholische Theologie)
- Eckhardt Fuchs, Prof. Dr. (Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut)
- Dirk Sadowski (Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut)
- Christine Chiriac (Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut)
- Klaus Holz, Dr. (Evangelische Akademien in Deutschland e.V.)
- Viola Beckmann, Dr. (Evangelische Akademien in Deutschland e.V.)
- Stefanie Schüler-Springorum, Prof. Dr. (TU Berlin/Zentrum für Antisemitismusforschung)
Veranstaltungen
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01.-03. Apr.. 25
ChriSzA: Abschlusstagung "Bilanz und Perspektiven" | Berlin, Schwanenwerder
Publikationen
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ChriSzA: Chiriac, Christine/Sadowski, Dirk: „Im Judentum besteht die Bibel nur aus dem Alten Testament“. Konstruktionen des Verhältnisses Christentum–Judentum in Schulbüchern für die Fächer katholische und evangelische Religion sowie Werte und Normen, in: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 2024, https://doi.org/10.1007/s41682-024-00182-7.
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ChriSzA: Holz, Klaus: Definitionen von Antisemitismus , in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.): Dossier Antisemitismus, 25.10.2024, https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/555654/definitionen-von-antisemitismus/.
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ChriSzA: : Christlicher Antisemitismus: Ursachen – Einsichten – Konsequenzen. Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing 23.-25. Oktober 2023, in: epd-Dokumentation 10-11/ 2024.
Im Web
Kontakt
Prof. Dr. Rainer Kampling
Freie Universität Berlin | Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Prof. Dr. Eckhardt Fuchs
Leibniz-Institut für Bildungsmedien
Hanna Lorenzen
Evangelische Akademien in Deutschland e.V.