FoNA21 zu Gast auf der MOTRA-K#24

Am 7. und 8. März 2024 war das Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert zu Gast auf der vierten Jahreskonferenz des Forschungsverbunds „MOTRA – Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung“ an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden.

Das ebenfalls vom BMBF sowie vom BMI geförderte Verbundprojekt widmet sich der phänomenübergreifenden Erforschung von Radikalisierung und dem Wissenstransfer in Politik, Praxis und Wissenschaft. In verschiedenen Panels, Poster-Sessions, Beiträgen und Diskussionen wurden auf der „MOTRA-K#24“ insbesondere die Transformationen von Extremismus und Intoleranz in Deutschland und Europa in den Fokus genommen.

Neben verschiedenen anderen Themenbereichen wurde auch dem Phänomen Antisemitismus anlässlich der besorgniserregenden Entwicklungen seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Bereits bei den ersten Einblicken in die aktuelle MOTRA-Forschung zum Auftakt der Konferenz wurde deutlich, dass gegenwärtig eine Zunahme von Antisemitismus sowohl auf Diskursebene als auch in den Einstellungen und im Verhalten von Menschen zu beobachten sei. Vorläufige Zahlen des Bundeskriminalamtes deuteten dabei auf ein Allzeithoch politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2023, einhergehend mit einer alarmierenden Zunahme antisemitisch motivierter Kriminalität. Der israelisch-palästinensische Konflikt präge zudem auch die deutsche Protestlandschaft: jeder fünfte Protest im Jahr 2023 weise einen Bezug dazu auf.

Besonders spannend zu verfolgen waren die unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Forschungsprojekte an den Themenkomplex Antisemitismus in den anschließenden Panels. So präsentierte Prof. Dr. Peter Wetzels von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg aufschlussreiche Erkenntnisse zur Akzeptanz legitimer und illegitimer Israelkritik. Auf dem Panel zur Wahrnehmung und Realität von Antisemitismus in Deutschland, moderiert von Dr. Monika Schärtl, waren auch zwei FoNA21-Verbünde beteiligt. Till Hendlmeier vom Verbundprojekt „ASJust – Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ sprach über ausgewählte Ergebnisse einer Studie zu Erfahrungen Betroffener mit der justiziellen Bearbeitung antisemitischer Straftaten. Bemerkenswert waren die Befunde zur heterogenen Anzeigebereitschaft bei Juden und Jüdinnen. Diese sei rollenabhängig und variiere nach Grad der Tat. Es wurde auch die De-Thematisierung von Antisemitismus problematisiert, die bei Betroffenen zu einem Vertrauensverlust in die Justiz und damit auch zur niedrigeren Anzeigebereitschaft führe. 

Jana-Andrea Frommer von „EMPATHIA³ – Empowering Police Officers And Teachers In Arguing Against Antisemitism“ referierte zur polizeilichen Wahrnehmung von Antisemitismus. Die vorgestellte Studie zielte darauf, nötige Wissensbedarfe bei Polizist:innen zu identifizieren, welche anschließend in Konzepten und Bildungsmaterialien für die polizeiliche Bildung Berücksichtigung finden sollen. 

Das Panel wurde ergänzt durch Prof. Dr. Dr. Veronika Zimmer vom „IU Kompass Extremismus“, der auf die Erforschung von menschenfeindlichen Einstellungen bei jungen Menschen zielt. Bianca Loy und Colin Kaggl vom Bundesverband RIAS e.V. sprachen außerdem zu zivilgesellschaftlichen und betroffenenorientierten Perspektiven auf das Extremismusmodell des KPMD-PMK (Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität). Sie kritisierten die innere Logik der auf dem Extremismusmodell basierenden Phänomenbereiche, was die Erkennung vorurteilsmotivierter Straftaten erschwere. Antisemitismus würde so fälschlicherweise auf politische Extremist:innen externalisiert.

Als Gast aus der Politik kam am zweiten Tag die Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser nach Wiesbaden. Sie betonte in ihrem Vortrag die essenzielle Bedeutung phänomenübergreifender, evidenzbasierter Forschung im Kampf gegen Radikalisierungstendenzen. Entschlossen stellte sich die Ministerin auch gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen. Sie zeigte sich besorgt über den wachsenden Antisemitismus und verwies auf das von ihr kürzlich vorgestellte Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus, in dem auch der Kampf gegen Antisemitismus eine wichtige Rolle einnehme.