Sommerakademie 2022
Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus

19. - 20.09.2022

Das Thema Antisemitismus hat in den vergangenen Jahren an Brisanz zugenommen. Von den vermeintlichen Rändern der Gesellschaft ist es in der Mitte wieder sichtbar geworden und schlägt sich von Worten immer häufiger auch in Taten nieder, wie der Anschlag in Halle im Oktober 2019 eindringlich belegt. Nicht zuletzt hat es durch die Covid-19-Pandemie eine zusätzliche Dynamik entwickelt, in der antisemitische Narrative bedient und umgedeutet sowie antisemitische Symbole in unerträglicher Weise vereinnahmt wurden.

Im Rahmen der Sommerakademie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“, die in Kooperation mit dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien stattfindet, werden aktuelle Forschungen der Antisemitismusbekämpfung und -prävention präsentiert und diskutiert. In Vorträgen, Seminaren und Workshops erhalten die Teilnehmer:innen Einblick in die unterschiedlichen Aspekte und Fragestellungen der Antisemitismusforschung und können mit Expert:innen über Erkenntnisse und Erfahrungen ins Gespräch kommen.

Mit der Förderlinie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“ hat das BMBF im Sommer 2021 zehn Verbundprojekte aus akademischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bewilligt. Aus verschiedenen Blickwinkeln und Fachrichtungen und mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen begegnen sie dem Phänomen des Antisemitismus und verbinden Grundlagenforschung mit empirischen Erhebungen. Das „Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert“ begleitet die Projekte als Meta-Vorhaben.

Die Sommerakademie wird als Bildungsurlaub anerkannt.

Programmflyer

Teilnahmebeitrag: 25 €
Anmeldefrist: bis 09.09.2022

Anmeldeformular

Bitte senden Sie das ausgefüllte Anmeldeformular an fona21@asf.tu-berlin.de und überweisen Sie den Teilnahmebeitrag auf das folgende Konto der TU Berlin:

Technische Universität Berlin
IBAN DE69 1009 0000 8841 0150 03

Berliner Volksbank
BIC BEVODEBB

Verwendungszweck:
50000347_Sommerakademie_1-8001162-0

Hinweis: Ihre Anmeldung wird erst mit Eingang der Zahlung bestätigt.

Die Vorträge im Detail

Referentin: Selana Tzschiesche

Berlin ist Lebensmittelpunkt einer, bundesweit betrachtet, großen jüdischen Community, die so heterogen ist wie die Bevölkerung der Stadt insgesamt. Jüdische Berliner:innen sind aktiver Teil des kulturellen Lebens und der demokratischen Zivilgesellschaft. Zugleich sind sie eine Minderheit, in deren Alltag sich Antisemitismus in unterschiedlichsten Formen niederschlägt.

Im Berlin-Monitor wurden 2019–2021 Daten zu Erscheinungsformen und Verbreitung antisemitischer Einstellungen in Berlin erhoben, Interviews zu Alltagserfahrungen jüdischer Berliner:innen und ihren Umgangsweisen mit Antisemitismus geführt und interaktive Dynamiken in Gruppendiskussionen untersucht. Es zeigt sich, dass das Recht, ohne Angst verschieden sein zu können, auch in Berlin massiv eingeschränkt ist. In jüngerer Vergangenheit haben sich allerdings erfolgreich zivilgesellschaftliche Netzwerke gegen Antisemitismus aufgestellt.

Referent: Volker Beck
Verbundprojekt: EMPATHIA³

„Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland.“ Dieses kontrafaktische Bekenntnis ist beliebt wie keine zweite Aussage in den politischen Sonntagsreden zu Antisemitismus oder Judentum in Deutschland.

In dem Vortrag werden vier Aspekte des  Umgangs von Politik und Antisemitismus erörtert:

  • Antisemitismus als Thema der parteipolitischen Programmatik und andere konzeptionelle Fragen

  • Antisemitismus als Problem der jeweiligen parteipolitischen Milieus

  • Antisemitische Vorfälle in den unterschiedlichen Bundestagsparteien und der jeweilige Umgang damit

Antisemitismus als Thema der politischen Auseinandersetzung

Referentin: Dr. Hannah Lotte Lund

2021 wurden 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland gefeiert, eine ebenso vielfältige wie wechselvolle Geschichte. Von ersten Gemeinschaften im Mittelalter über die Anfänge der politischen Emanzipation im 18. Jahrhundert bis zur vielgerühmten kulturellen Blüte der Moderne ist die Geschichte jüdischen Lebens  integraler und prägender Teil deutscher Geschichte und zugleich immer begleitet von Hass und Ausgrenzung, bis zur Vernichtungspolitik des 20. Jahrhunderts. Berlin war nicht nur ein Brennpunkt dieser Entwicklung, sondern auch Akteur jüdischer Geschichte und Kultur.
Die Hauptstadt Preussens und des Kaiserreichs war sowohl Ausgangspunkt und Forum mehrerer Emanzipationsbewegungen als auch der Mittelpunkt antisemitischer Strömungen. Von den jüdischen „Salons“ bis zum Antisemitismusstreit wurden hier die Möglichkeiten und Grenzen von Toleranz und Akzeptanz besonders ausgereizt.

Berlin spielte auch eine wesentliche Rolle in innerjüdischen Modernisierungsbewegungen, als Hauptstadt der jüdischen Aufklärung und Geburtsort des liberalen Judentums. Der Vortrag beleuchtet die wechselvolle Geschichte jüdischen Lebens in Berlin in exemplarischen Beziehungsgeschichten und verschiedenen Lesarten ihrer Entwicklung.

Referentin: Dr. Isabel Enzenbach

Antisemitische Bilder finden sich an verschiedenen Orten, in verschiedenen Kontexten und zu verschiedenen Zwecken: An Kirchenwänden sind mittelalterliche judenfeindliche Schmähplastiken in Stein gemeißelt, seriöse Zeitschriften publizieren antisemitische Karikaturen, Museen zeigen sogenannte Judenspottpostkarten aus dem 19. Jahrhundert, in Schulbüchern werden Stürmerzeichnungen vervielfältig, zuletzt wurden antisemitische Zeichnungen auf documenta 15 ausgestellt. Der Umgang mit diesen Bildern ist immer problematisch. Zeigt man sie – auch in aufklärerischer Absicht – trägt man zu ihrer Verbreitung bei. Welche Strategien gibt es, mit solchen Bildern umzugehen? Was macht eine Darstellung zu einem antisemitischen Bild? Diese Fragen sind nicht einfach und auch nicht immer eindeutig zu beantworten. Im Vortrag werden Beispiele präsentiert, die helfen können, antisemitische Bilder als solche zu erkennen. Verschiedene Praktiken des Umgangs mit ihnen in Ausstellungen werden vorgestellt. Darüber hinaus wird diskutiert, ob sich diese Strategien auf andere Praxisfelder anwenden lassen.

Abendveranstaltung am Montag, 19.09.22

Filmvorführung und anschließendem Gespräch mit Arkadij Khaet (Regisseur) und Lea Wohl von Haselberg (Filmwissenschaftlerin)

Zutaten: 1 Jude, 12 Deutsche, 5cl Erinnerungskultur, 3cl Stereotype, 2 TL Patriotismus, 1 TL Israel, 1 Falafel, 5 Stolpersteine, einen Spritzer Antisemitismus

Zubereitung: Alle Zutaten in einen Film geben, aufkochen lassen und kräftig schütteln. Im Anschluss mit Klezmer-Musik garnieren.

Verzehr: Vor dem Verzehr anzünden und im Kino genießen. 100% Koscher.

Dimitrij Liebermann (18) ist Jude und hat Tobi geschlagen. Dafür soll er sich entschuldigen. Nur Leid tut es ihm nicht unbedingt. Auf dem Weg zu Tobi begegnet Dimitrij ein Querschnitt der deutschen Gesellschaft und immer wieder ein Problem, das es auszuhandeln gilt: Seine deutsch-jüdische Identität. Eine Bestandsaufnahme.

Ausstellung im Foyer

Eine Wanderausstellung

Der Tiefbauingenieur Wolfgang Haney (1927–2017) hat etwa 15.000 Objekte zur Geschichte des Antisemitismus in Deutschland und Europa, zur nationalsozialistischen Verfolgung von Jüdinnen und Juden sowie zur Erinnerungskultur nach 1945 gesammelt. Im Foyer kann die gemeinsame Ausstellung von FoNA21 und dem Verbundprojekt zur Sammlung Wolfgang Haney besichtigt werden. Sie stellt drei Objektgruppen des Bestandes in den Fokus, die auf eindringliche Weise die Langlebigkeit des Antisemitismus und seine gesellschaftlichen Herausforderungen verdeutlichen.

Workshops am Montag, 19.09.22

Workshopleitung: Prof. Dr. Nicola Brauch und Volker Beck
Verbundprojekt: EMPATHIA³

Die Polizei in Halle a. d. Saale wusste nicht, dass zum Zeitpunkt des Anschlages auf die Synagoge Anfang Oktober 2019 der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur gefeiert wurde. Dies ist kein Einzelfall. Ähnliche Probleme gibt es auch beim Umgang öffentlicher Institutionen beim Erkennen von Antisemitismus, beispielsweise im Kontext der Documenta 15, v.a. – wenn auch nicht nur – mit israelbezogenem Antisemitismus.

Unser Workshop besteht aus drei Elementen:

  1. Ein Quiz mit der Gegenüberstellung von antisemitischen und nicht-antisemitischen Bildern aus Geschichte und Gegenwart.

  2. Ein Teil mit Theorie und Diskussion:
    Die Vorstellung der nicht rechtsverbindlichen Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und die Diskussion ihrer Leistungsfähigkeit im Alltag. Warum ist Antisemitismus nicht einfach eine Form von Rassismus oder anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit?
  3. Diskussion und Vorstellung von Bildungsmaterialien: Wo Kenntnisse über Judentum und Antisemitismus sich allein auf die Shoah fokussieren oder gar reduziert werden, kann kaum wirksam gegen Antisemitismus interveniert werden. Hier wenden wir uns den spezifischen Ausprägungsformen des israelbezogenen Antisemitismus zu. Wir beobachten, dass unsere Zielgruppen sich vor allem schwer damit tun, diesen als Antisemitismus zu erkennen. In diesem Zusammenhang stellen wir Bildungsmaterial vor, das Hintergrundwissen zu Israel aufbereitet. Abschließend möchten wir die Potenziale und Grenzen dieses Bildungsmaterials, v.a. in der Lehrer:innenbildung, diskutieren.

Workshopleitung: Prof. Dr. Özen Odağ, Prof. Dr. Larisa Buhin-Krenek, Agata Maria Kraj
Verbundprojekt: RESPOND! 

Dieser interaktive Workshop zielt darauf ab, Nutzer:innen sozialer Medien dabei zu helfen, den Inhalt ihrer Social-Media-Profile kritisch zu bewerten und Erfahrungen in der Erkennung verschiedener Erscheinungsformen antisemitischer Hassrede zu sammeln. Der Workshop basiert auf den Ergebnissen der ersten Studie, die im Rahmen des Verbundprojekts RESPOND! Nein zu Judenhass im Netz! durchgeführt wurde und die Erscheinungsformen antisemitischer Hassrede in den sozialen Netzwerken von jungen Menschen untersucht. Anhand einer Vielzahl von Beispielen relevanter Posts wird der interaktive Workshop die Teilnehmer:innen mit aktuellen Formen von Antisemitismus vertraut machen und etwaige Reaktionsmöglichkeiten auf sie reflektieren. Der Workshop verbindet somit bestehende theoretische Ansätze mit der Präsentation und Diskussion aktueller Beispiele, die die breite Landschaft antisemitischer Online-Diskurse widerspiegeln. Ziel dieses praxisorientierten Ansatzes ist es, eine offene Diskussion zu führen, die es den Nutzer:innen sozialer Medien erlaubt, ihr Bewusstsein und ihre Kompetenzen im Umgang mit antisemitischem Hass im Netz zu schärfen.

Workshopleitung: Dr. Janne Braband
Verbundprojekt: RelcoDiff

In diesem Workshop wird das Modell des Hamburger Religionsunterrichts für alle (RUfa) vorgestellt und kritisch reflektiert. Dafür sollen die Potentiale und Herausforderungen des interreligiösen Dialogs in der Schule anhand von Forschungsergebnissen und Argumenten aus der Fachliteratur diskutiert werden. Aber auch Erfahrungsberichte aus der (religions-)pädagogischen Praxis sind willkommen, um damit die Forschungsperspektive zu erweitern.

In Hamburg besuchen Schülerinnen und Schüler von der 1. bis (mindestens) zur 6. Klasse einen gemeinsamen Religionsunterricht, der nicht nur von der evangelischen Kirche, sondern gemeinsam von ihr und islamischen, alevitischen, jüdischen und katholischen Religionsgemeinschaften verantwortet und konzipiert wird.

Das Projekt des RUfa wirft Fragen nach der Umsetzung auf, die vor dem Hintergrund der (religions-)pädagogischen Erfahrungen der Teilnehmenden diskutiert werden sollen. Es sollen auch Bedenken vorgestellt werden, die sich z.B. auf die Gefahr von Zuschreibungen und Stereotypisierungen beziehen. So wird u.a. der Frage nachgegangen, inwiefern ein interreligiös-dialogisch ausgerichteter Religionsunterricht das Risiko von Fremdzuschreibungen birgt, wodurch die beabsichtigte Anerkennung individueller Religiosität in eine problematische Identitätszuschreibung anhand der Religionszugehörigkeit umschlagen könnte.

Workshopleitung: Dr. Juliane Wetzel

In den letzten Jahren haben die Versuche zugenommen, im öffentlichen und politischen Diskurs die Auswirkungen des Holocaust zu verharmlosen und die Verbrechen des NS-Regimes und seiner Kollaborateure herunterzuspielen. Diese Verzerrung (engl. distortion) diffamiert und demütigt die Opfer des Holocaust und macht vor nationalen Grenzen nicht halt.

Um gegen diesen Trend zu sensibilisieren, haben Experten aus dem Kreis der IHRA eine Reihe von Materialien entwickelt, die hier vorgestellt werden. Sie sind Teil eines Toolkits, das politischen Entscheidungsträgern und der Zivilgesellschaft dabei helfen soll, Schritte zur Erkennung und Bekämpfung von Holocaust-Verzerrungen zu unternehmen. Diese Handreichungen werden in diesem Workshop vorgestellt und diskutiert. In den Jahren 2022/2023 wird die IHRA mit Hilfe dieser Materialien Initiativen auf den Weg bringen, um das Bewusstsein weiter zu schärfen.

Workshopleitung: Sara Han, Dr. Dirk Sadowski, Dr. Matthias Springborn
Verbundprojekt: ChriSzA

Gegenwärtige Schulbücher für die Fächer Religion und Ethik, aber auch Geschichtsschulbücher enthalten Darstellungen, die zumeist verdeckt auf Vorurteile gegenüber Jüdinnen und Juden rekurrieren. Manche dieser Zerrbilder haben ihren Ursprung in einem theologisch-kirchlichen Antijudaismus, der die Haltung der christlichen Kirchen gegenüber „dem“ Judentum und „den Juden“ über Jahrhunderte gekennzeichnet hat. Die Konstruktion antijüdischer Narrative und Motive galt der Fremdmachung der Juden als minderwertig im Dienst der Überhebung der Kirche.  Aus den theologischen Antijudaismen abgeleitet oder mit ihnen verbunden zeigen sich seit dem Mittelalter und bis heute (teil)säkularisierte Formen des Antisemitismus.

In dem Workshop soll die Frage erörtert werden, welche Funktion der christlich-theologische Antisemitismus für den rassistischen Antisemitismus besitzt. Die Teilnehmenden des Workshops werden gemeinsam mit den Referent:innen an konkretem Schulbuchmaterial Spuren dieser Vorurteilsstrukturen herausarbeiten und diskutieren. Zur Einführung dient ein Impulsvortrag zum christlichen Antisemitismus anhand ausgewählter theologisch-antijüdischer Narrative.

Workshopleitung: Dr. Jan Krasni

In diesem Workshop werden Theorie, Methode sowie ein Leitfaden vorgestellt, die Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftlichen Aktivist:innen ermöglichen, digitale Formen von Antisemitismus zu erkennen. Der Leitfaden wird im seit Sommer 2020 am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin angesiedelten Pilotprojekt „Decoding Antisemitism“ entwickelt und bietet ein nützliches Tool für alle, die sich mit Antisemitismus im Internet und in der online-Kommunikation beschäftigen.

„Decoding Antisemitism“ untersucht Kommentarbereiche von Medien und Social Media-Plattformen der politischen und gesellschaftlichen Mitte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der Leitfaden dient dem primären Ziel, eine Künstliche Intelligenz zu trainieren, die Antisemitismus in Nutzerinteraktionen erkennen kann. Hierbei werden die gängigen antisemitischen Stereotype und andere judenfeindliche Konzepte aus der langen Tradition des europäischen Antisemitismus katalogisiert, beschrieben und mit aktuellen Beispielen versehen. Der Leitfaden zeigt, wie alte antisemitische Narrative durch den Bezug auf neue Inhalte und Ausdrucksformen wieder- und weiterbelebt werden.

Workshops am Dienstag, 20.09.22

Modul I: Neue Formen des Antisemitismus in Deutschland

Workshopleitung: apl. Prof. Dr. Gideon Botsch

Die extreme Rechte ist nach wie vor derjenige politische Akteur in Deutschland, der am entschiedensten Antisemitismus verbreitet. Dies gilt für rechtsextreme Ideologien und Mythen, für Programmatik und Propaganda, und auch Tatmotive sind antisemitisch geprägt.

Häufig wird angenommen, dass es sich dabei bloß um den altbekannten, klassischen Antisemitismus in der Tradition der NS-Bewegung handle. Daneben trägt die extreme Rechte aber auch zur Verbreitung von „Neuem Antisemitismus“ bei. Das gilt für „sekundäre“ Erscheinungsformen der Erinnerungs- und Schuldabwehr ebenso wie für israelbezogenen Antisemitismus. Auch die „Neue Rechte“ in Deutschland hat sich von Judenfeindschaft nicht verabschiedet. Gerade deren neorassistische, ethnonationalistischen und demokratiefeindlichen Propaganda baut auf antisemitischen Verschwörungsmythen auf – dies zeigen Schlagworte wie „Globalisten“, „Großer Austausch“ oder „Neue Weltordnung“.

Anhand ausgewählter Materialien aus allen Teilen des rechtsextremen Lagers (Neonazis, Rechtsrock, rechtspopulistische Parteien, Neue Rechte etc.) wird erarbeitet, wo sich derartiger Gehalt auffinden und wie er sich erkennen lässt.

Workshopleitung: Prof. Dr. Ulrike Lembke und Christoph Schuch

Informationen folgen in Kürze

Modul II: Antisemitismus im Kontext jüdischer Geschichte und Kultur in Deutschland

Workshopleitung: Dr.-Ing. Katrin Keßler und Harald Lordick
Verbundprojekt: Net Olam

2.000 jüdische Friedhöfe in Deutschland sind ein einzigartiges religiöses und kulturelles Erbe, vielerorts die einzig noch sichtbare Erinnerung an jüdische Gemeinden. Sie sind gezielten Angriffen ausgesetzt. Massiv zunehmender Antisemitismus verletzt die jüdische Gemeinschaft und (be-)trifft die gesamte Gesellschaft. Viele Schändungen werden bekannt, die Dunkelziffer ist unklar, Schäden oft irreparabel.

Der Workshop führt auf Basis des Forschungsprojekts „Net Olam“ in die Hintergründe ein. Warum sehen jüdische Friedhöfe anders aus als christliche oder muslimische Friedhöfe? Wie verhält man sich auf einem jüdischen Friedhof und welche Möglichkeiten bietet er für die Vermittlungsarbeit? Was bedeuten Schändungen für die jüdische Gemeinschaft, für Nachfahren im In- und Ausland und die Mehrheitsgesellschaft? Im Workshop werden Projektideen zum besseren Schutz jüdischer Friedhöfe, zu ihrer Sichtbarmachung und Einbindung in die lokale Erinnerungslandschaft erarbeitet.

Workshopleitung: Dr. Jobst Paul und Jessica Hösel
Verbundprojekt: Ritualpraxis

Viele Jüdinnen und Juden erleben, aufgrund ihrer jüdischen Identität als nicht-normal, als fremd oder als etwas Besonderes wahrgenommen zu werden. Auch in den Medien wird das Judentum häufig durch die Brille der christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft gedeutet, was Exotisierung oder negatives Othering von Jüdinnen und Juden zur Folge hat.

Wir möchten in diesem Workshop sichtbar machen, welche Aussagen aus jüdischer Perspektive als abwertend empfunden werden und welche Formen der Diskriminierung in den Medien verbreitet sind. Ferner werden den Teilnehmenden Werkzeuge in die Hand gegeben, um Antisemitismen in der Sprache zu erkennen.

Auf ein einführendes Brainstorming folgt eine Phase der Textarbeit in Kleingruppen, in der die Teilnehmenden Zeitungsartikel und Abschnitte aus Interviews, die mit Jüdinnen und Juden geführt wurden, bearbeiten. Daraufhin werden die Resultate mit den anderen Gruppenteilnehmer:innen diskutiert. In anschließenden Vortragsbeiträgen werden die bisherigen Ergebnisse in den wissenschaftlichen Kontext gestellt. Es soll ein vertrauensvoller Ort geschaffen werden, in dem die Teilnehmenden zur Reflexion angestoßen und zur Diskussion angeregt werden.

Modul III: Antisemitismus ausstellen

Workshopleitung: Wiebke Hölzer

Wolfgang Haney (1924–2017) baute in fast 30 Jahren seine rund 15.000 Objekte umfassende Privatsammlung auf, deren Schwerpunkte auf der Geschichte des Antisemitismus in Deutschland und Europa, der nationalsozialistischen Verfolgung von Jüdinnen und Juden sowie der Erinnerungskultur nach 1945 liegen. Die Sammlung befindet sich heute im Deutschen Historischen Museum in Berlin und wird dort im Rahmen des Verbundprojekts „Der Sammler und seine Dinge. Die Sammlung Wolfgang Haney“ zusammen mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin erschlossen.

Im Fokus des Workshops stehen die Biografie Wolfgang Haneys und seiner Familie sowie verschiedene Aspekte der Sammlung – deren Entstehung, Wachstum, Struktur und Öffentlichkeitswirksamkeit. Auch einzelne Objektgruppen werden thematisiert. Ferner wird es um museale Präsentationsformen für antisemitische Objekte gehen: Welche Zeigestrategien wurden in der Vergangenheit verwendet und welche Möglichkeiten zeichnen sich für die Zukunft ab?

Begegnung mit visuellem Antisemitismus im pädagogischen Feld. Eine Erkundung von Artefakten aus der Arthur Langerman-Sammlung an einer Hamburger Schule

Workshopleitung: Dr. Gabriele Kandzora

Ist es politisch vertretbar, Schüler:innen heutzutage „ohne Not“ mit visuellen antisemitischen Artefakten zu konfrontieren? Riskiert man nicht ungewollt die Reproduktion von antisemitischen Stereotypen? Ist nicht die hohe Affinität von Jugendlichen zu digitaler Kommunikation und zur Verwendung von Bildern, Bildsymbolen und visuellen Stereotypen geradezu ein Einfallstor für diese Reproduktion?

Fragen dieser Art sollen in dem Workshop zur Sprache kommen. Die Teilnehmer:innen werden mit einem Set von antisemitischen Postkarten aus der Langerman-Sammlung bekannt gemacht, die seit 2019 im Zentrum für Antisemitismusforschung beheimatet ist und zu Forschungs- und Bildungszwecken genutzt wird.

Die Postkarten aus dem Themenbereich des Bäderantisemitismus waren Gegenstand eines pädagogischen Unterrichtsprojekts in zwei 9. Klassen einer Hamburger Schule mit Gymnasial- und Stadtteilschulzweig. Das Projekt wird vorgestellt, ausgewertet und kritisch reflektiert – u.a. anhand der genannten Fragestellungen. Die Teilnehmer:innen können eigene Erfahrungen einbringen und das vorgestellte Projekt diskutieren.